24.07.2008

DSA, die Nordlandtrilogie

Eine Szene aus alten Tagen…
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Spielleiter (SL): Als ihr den Raum betretet fällt euch sofort der modrige Geruch auf. Links und rechts von euch stapeln sich halbverrottete, teils geöffnete Holzsärge. Hier und dort liegen auch Knochen herum. Der Raum ist rund und direkt euch gegenüber steht ein Steinaltar, vor dem eine in schwarz gehüllte Gestalt steht. Auf dem Altar, aber verdeckt von dem Fremden muss eine Lichtquelle stehen, die langsam pulsiert.
Krieger: Ich hau den um.
SL: Ihr hört leise gemurmelte Worte von… Wie?
Krieger: Ich hau den um!
Magier: Ja, bringen wir’s hinter uns. Vielleicht hat der ne Kristallkugel da vorn.
SL: Aber wollt ihr nicht versuchen zu Hören, was er sagt?
Krieger: Ich hau ihn um.
Magier: Zuhören?
SL: Ja, du musst dann nur eine Probe auf Lauschen werfen und…
Krieger: Was is‘ jetzt? Ich nehm meinen… *Papiergeraschel* Streitkolben und hau auf ihn drauf. *nimmt Würfel*
SL: Aber was der murmelt, könnte vielleicht wichtig…
Krieger: Was muss ich würfeln?
Magier: Soll ich ihm auch eine reinfeuern?
Krieger: Ne, lass mal.
SL: Moment jetzt mal… Der Typ könnte wichtige Informationen haben über den Schattenkult, den ihr sucht!
Krieger: Welcher Kult?
Magier: Wir suchen wen?
SL: ---
Krieger: Also was nu? Ich hau ihn um!
SL: Am Anfang hat euch doch der Elf erklärt, dass das Tal in Gefahr ist und Grubendorf gerettet werden muss!
Magier: Welcher Elf war das?
SL: Am Anfang!
Krieger: Ist das schon länger her?
SL: Das war vor zwanzig Minuten!
Magier: Ach der… Was wollte der denn?
SL: Ich hab doch erzählt, wie die Koalition aus Elfen und Menschen in der Krise…
Krieger (zum Magier): Was hast’n Du auf Schleichen?
Magier: 18.
Krieger: Echt?
SL: Hallo?
Krieger: Ach so, tschuldigung, also… Ich hau den um…
SL: Jetzt hört mal, ich mach mir da die Mühe und schreibe uns ein komplettes Abenteuer mit Dokumenten und so, *hebt Stapel Blätter hoch* also müsst ihr euch mal für diese Hintergrundgeschichte interessieren. Was passiert denn euch eine Wache nach euren Papieren fragt? Wozu habt ihr sonst daheim eure Passierscheine gemalt?
Krieger: Hab ich nicht.
SL: Wie?
Krieger: Hab in der Schule von Klaus ‚Mission Elevator‘ gekriegt und gleich gezockt.
Magier: Du spielst immer noch auf dem Teil? Maaann
Krieger: Ich hab halt nicht zu Weihnachten nen supertollen Amiga gekriegt. Meine Brotkiste is durchaus noch cool.
Magier: Na gut, is wenigstens ein Commodore und kein IBM…
SL: Können wir bitte weitermachen?
Zwerg (kommt aus Küche): Hast du keine Cola mehr?
Krieger: Ha! Irgrimm is‘ da… jetzhau’n wir ihn um!
Zwerg: Wen?
Magier: Irgendein Schattentyp. Wieviel Erfahrung bringt’n der?
SL: Leute! Das soll doch Spass machen! Wenn ihr nur rumlauft und Leute umhaut… macht euch das Spass?
Krieger: Fakt!
Zwerg: Ich stürm‘ vor und ramm ihm die Axt zwischen die Schultern!
Magier: Ist das ein magischer Typ?
SL (lauter): Na frag ihn doch!
Magier: Bist du ein magischer Typ?
SL: Ich geb’s auf.
Krieger: Wie? Ja, ich hau drauf!
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Ja, das waren noch Zeiten, was? In kleiner Runde am Tisch sitzen, die Charakterbögen vor sich und die Würfel in der Hand.

Das wohl beliebteste Pen&Paper Rollenspiel im deutschsprachigen Raum ist/war Das Schwarze Auge. Und natürlich lag es nahe, dies auch für die Heimcomputer umzusetzen, und so erblickte 1992 "DSA-Die Schicksalklinge" das Licht der digitalen Welt. Es folgten zwei Fortsetzungen, "Sternenschweif" (1994) und "Schatten über Riva" (1996), im ganzen "Die Nordlandtrilogie" genannt und erfreute sich großer Beliebtheit unter den Rollenspielern.

Die Gründe dafür liegen klar auf der Hand, lieferte die Trilogie doch alles, was ein gutes PC-Rollenspiel haben sollte: Eine Party aus fünf Helden, die man komplett selber generieren konnte. Ein Reisesystem mit Zufallsereignissen und Kämpfen, die Helden mussten Essen, Trinken, konnten Jagen, Kräutersammeln, mussten Nachtwache schieben und so weiter. Packende Stories und Dungeons mit Rätseln. Eine simulierte Götterwelt, mit der man es sich leicht verscherzen konnte.

Während sich heute viele RPGs schon beinahe wie Shooter spielen, fand man bei DSA eine reiche und (begrenzt) interaktive Welt vor. In der Höhle ein Abgrund zu erforschen? Kein Problem, hoffentlich hat ein Held in der letzten Stadt eine Strickleiter gekauft... nein? Dann doch wohl hoffentlich ein Seil? Oder: Wanderung durch die karge Steppe und keinen Proviant mehr? Tja, Pech, wird halt verhungert.

DSA setzte also durchdachtes Spielen voraus. Wer einfach so aus der Startstadt loswanderte, ohne sich für eine gefährliche Reise zu wappnen war selber schuld und bezahlte auch rasch dafür.

Die Grafik in allen drei Teilen war hübsch und ist auch heute noch nett anzusehen, Teil Eins dürfte noch am "unhandlichsten" für heutige Spieler sein, da Fortbewegung in Städten und Dungeons nur schrittweise (Kästchen für Kästchen) möglich war. Teil Zwei bekam bereits eine 3D-Engine mit und im dritten Teil war diese auch stufenfrei.

Das Kampfsystem war rundenbasiert und vergleichbar mit Fallout oder Jagged Alliance. Den Zauberklassen stand eine immense Fülle an Sprüchen zur Verfügung, jedoch werden DSA-Nichtkenner werden schnell im Handbuch nachblättern. Namen wie Feuerball oder Versteinern gibt es nämlich nicht, sondern regelgetreue "Eisenrost", "Fulmen" oder "Plumbumbarum" Zaubersprüche.


Was beim heutigen Spielen erst richtig aufällt, ist der Frust, mit dem man zu Kämpfen hat. Oben erwähntes, zwingendes Ausrüsten bzw. schlechtes Ausrüsten kann schon mal in eine Sackgasse führen. Ewiges Abgrasen von Häusern, weil ein NPC irgendwo dort oder da leben soll, während in den anderen dreihundert nur One-Liner (vier verschiedene) sitzen. Aber gut, wie gesagt, es handelt sich um ein sehr tiefgründiges Rollenspiel, in dem viele Variablen bedacht werden müssen, damit man sich überhaupt Chancen ausrechnen kann.

Neben einer vorzüglichen (beschriftbaren) Automap gibt es ein launisches Tagebuch. Launisch deswegen, da nicht alle relevanten Fakten automatisch notiert werden. Aber man konnte selber Einträge erstellen und dieses Tagebuch sogar ausdrucken. Nichts für WOW-Quest verwöhnte Spieler.

Hervorzuheben ist auch die Soundkulisse, insbesondere die Musik. Ich habe selten Spielmusik im Alltag nachgepfiffen, aber hier wurde eine Glanzleistung vollbracht. Die Trilogie-Teile auf CD (2 und 3) ließen sich auch in den CD-Player packen und spielten munter die Tracks ab.

Tsa sei Dank, diese Spiele erhalten eine eindeutige Empfehlung. Wer auf komplizierte Party-Rollenspiele eingehen kann und keine Angst vor ein wenig Frust und einem knackigen Schwierigkeitgrad hat sollte dieser Perle der deutschen Spielelandschaft mehr als eine Chance geben.

Außerdem verkürzt sie die Wartezeit auf DSA-Drakensang...

"Die Nordlandtrilogie" ist lauffähig unter DosBox. Achtung, DSA-NLT ist keine
Abandonware!

Demo von "Schatten über Riva" (via Nordlandtrilogie)


Developer: Attic
Jahr: 1992-1996

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